Drei Wochen Island ohne Massentourismus und Regen? Genau das durften wir diesen Sommer geniessen. Im zweiten Teil unseres Island-ABCs berichten wir von kurzen Nächten, isländischen Köstlichkeiten, unseren Lieblingsorten und der (nicht ganz so) «grünen» Seite von Island.
J wie… Jahreszeiten
Island ist in vielerlei Hinsichten das Land der Extreme. Mit Ende August haben wir genau das Ende der Hauptsaison erwischt. Von Sonne pur und warmen Temperaturen, wie wir sie im Sommer gewohnt sind, darf man in Island jedoch keineswegs ausgehen. Das Bikini zieht man höchstens an, um in die warmen Hot Pots zu hüpfen. Ansonsten fährt man am besten mit dem «Zwiebelschalenprinzip». In meinem Fall hiess das Unterhemd, leichter Pullover, Softshell-Jacke, dünne Daunenjacke und allenfalls noch eine Regenjacke. Eine Mütze und Regenhosen dabeizuhaben ist übrigens auch im Sommer nicht verkehrt! Das klimatische Spektrum reicht in den Sommermonaten von eisig kalt, mystisch neblig, starken Windböen und tagelangen Regenschauern bis hin zu sonnig warm.
Petrus meinte es gut mit uns. Das schöne Wetter hat uns fast die gesamten drei Wochen begleitet, was für isländische Wetterverhältnisse sehr untypisch ist. Ebenfalls untypisch war für mich als Eiszapfen, dass mir die kalten Temperaturen kaum was ausgemacht haben – ganz im Gegenteil. Zuhause angekommen, habe ich das isländische Wetter sogar vermisst.
So hoch im Norden sind die Sommertage gefühlt endlos lang, sodass wir mit der Sonne aufwachten und teils auch zu Bett gingen. Nachteulen haben es hier also nicht ganz einfach :-). Für unsere nächtlichen Fotosessions war das ebenfalls suboptimal. Dadurch, dass es erst sehr spät und nur kurz richtig dunkel wird, mussten wir jeweils am Abend vorher die App checken und peinlich genau den Wecker stellen. Die Milchstrasse sowie die Aurora Borealis (Nordlichter) haben wir zu Michis grossem Bedauern dennoch nicht gesehen.
Im Winter hingegen sind die Tage grau, kalt und vor allem kurz. Einige Deutsche, die gerade auf Island arbeiteten, haben uns erzählt, dass sie schon mehrmals den Winter über bleiben wollten. Alle haben den Plan aber schnell wieder verworfen, als es kalt wurde. Vermutlich sind die Isländer genauso robust wie ihre Pferde, weshalb ihnen die Kälte nichts anhaben kann.
K wie… Kulinarik
Auch für Foodies hat Island so einiges (Skuriles) zu bieten. Viele der lokalen Spezialitäten sind aber zugegebenermassen weder veganfreundlich noch für jedermanns Magen. Wie wäre es zum Beispiel mit gekochtem Schafskopf oder Widderhoden? Der reichlich vorhandene Fisch und das Lammfleisch waren da schon eher nach Michis Geschmack. Im Supermarkt war er schier überwältigt von der grossen und preisgünstigen Auswahl. Aber auch das beste Lammfilet schmeckt halt nicht, wenn man nicht kochen kann (Stichwort Feueralarm).
Ich hingegen habe mich schwer in «Flatkaka» verliebt; ein isländisches Fladenbrot, das es in zahlreichen Varianten zu kaufen gibt. Im isländischen Supermarkt nicht wegzudenken ist zudem Skyr, ein isländischer Joghurt. «Normalen» Joghurt findet man hier kaum. Was uns im Supermarkt noch aufgefallen ist: Obst und Gemüse sind oft alles andere als knackig frisch, eher welk. Eigentlich logisch, denn viel wächst auf der kargen Insel nicht. Die meisten Lebensmittel und Güter müssen importiert werden, was wiederum die hohen Preise erklärt.
Stolz sind die Isländer auch auf ihr Salz, das wirklich sehr gut. Beinahe jeder Supermarkt verkauft die handgemachten Produkte der kleinen Salzmanufaktur Saltverk. Die Döschen überzeugen nicht nur mit ihrem Design, sondern auch mit ausgefallenen Sorten wie Lava, geräucherte Birke, Algen, Thymian oder Lakritz (allgemein sehr beliebt bei den Isländern). Auf der Durchreise sind wir extra zur Produktion in den Westfjorden gefahren. Rund um das kleine Areal an der Küste dampft es so heiss aus dem Boden, dass sogar Warnschilder aufgestellt sind. Die Produktion wird komplett mit der Wärme aus den umliegenden geothermischen Quellen gewonnen, wodurch während des ganzen Prozesses praktisch null CO2-Emissionen anfallen. Ziemlich cool, oder? Leider haben wir nicht sehr viel über die Produktion erfahren – die Mitarbeitenden waren zu sehr mit Sonnenbaden beschäftigt. Immerhin konnten wir einige Salzdöschen mitnehmen.
Alkohol scheint ein besonders delikates Thema in Island zu sein. Jedenfalls berichteten uns einige, dass es hier besonders viele trockene Alkoholiker gibt. Einer der Gründe seien die langen Sommertage und die Dunkelheit im Winter, die vermutlich auch den Isländern aufs Gemüt drücken kann. Fakt ist auch, dass Alkohol sehr teuer ist. Das schreckt wahre Wikinger aber nicht davon ab, reichlich Bier zu produzieren.
Und zu guter Letzt natürlich ein paar Worte zum Thema «vegan in Island». Wenn ich Reiseziele nur nach Veganfreundlichkeit auswählen würde, wäre Island mit Sicherheit nicht so weit oben auf meiner Bucket List gelandet. Was für ein Trugschluss! Island ist mindestens genauso veganfreundlich wie viele andere nordische Länder. Selbst im kleinen Supermarkt ist die Auswahl an Tiefkühlprodukten, Pflanzendrinks und -joghurts, Käse, Eis usw. weitaus grösser als bei uns. In den Restaurants verhält es sich genauso, und das selbst in abgelegenen Ortschaften. Vegan scheint keine Modeerscheinung zu sein, sondern gesellschaftlich akzeptiert und integriert. Also an alle Veganer: Keine Angst, in Island werdet ihr nicht verhungern!
L wie… Lieblingsort
Oft werden wir gefragt, welcher Ort uns am besten gefallen hat. In den drei Wochen haben wir – abgesehen vom Hochland – wohl so einiges gesehen. Die Natur in Island ist so vielfältig, dass wir uns für keinen Ort entscheiden konnten. Dennoch bleiben uns einige Plätze natürlich in besonderer Erinnerung.
- Golden Circle: Unser erster Tag in Island, vollbepackt mit den Must-Sees der Insel. Die 300 Kilometer lange Strecke führt zum spektakulären Gullfoss-Wasserfall, dem Geysir Strokkur sowie dem Þingvellir National Park, wo man ebenfalls einen Wasserfall bestaunen kann.
- Die Strecke von Reykjavík über Grundarfjörður nach Rauðasandur: Weite, endlose Strassen an der Küste entlang wechseln sich ab mit bemoosten Lavasteinfeldern, Schluchten und unzähligen Wasserfällen. Eine unglaublich schöne Strecke! Noch dazu gibt es unterwegs viele atemberaubende Spots, die man sich nicht entgehen lassen sollte.
- Rauðasandur: Nicht das, was wir uns vorgestellt hatten, aber vielleicht gerade deshalb so besonders. Die steil kurvige Strasse zu diesem abgelegenen Strand kostete uns einige Nerven. Ob wir bei Regen mit unserem Mazda überhaupt wieder hochgekommen wären… Unser Tiny-House war zehn Fussminuten vom Strand entfernt auf einem Campingplatz. Es war kalt, eng, das Gemeinschaftsbad und die Küche – naja. Damit konnte der Rauðasandur («roter Sand») zwar nicht trumpfen, dafür aber mit Ruhe, einem herrlichen Sonnenuntergang und einem menschenleeren Strand, wie wir ihn noch nie zuvor gesehen hatten. Michis anfängliche Panik vor dem Verhungern (kein Restaurant!!) und das fehlende WLAN waren am Schluss auch halb so wild.
- Húsavík, das Mekka für Whale Watching: Über den fantastischen Ausflug auf dem Fischkutter habe ich bereits im letzten Artikel («Fauna») geschrieben. Das moderne Geothermalbad in Húsavík mit Blick aufs Meer ist aber sicherlich auch ein Erlebnis, das wir nicht so schnell vergessen werden. Ausser uns beiden waren nur ein paar ältere Einheimische dort – auch hier, Corona sei Dank!
- Mývatn: Eines meiner absoluten Highlights, aber leider ohne happy End. Mehr dazu unter «M».
- Höfn: Michi plante schon weit im Voraus, wo er das perfekte Bild des Vestrahorn Mountain, Nähe des Fischerdorfs Höfn, schiessen würde. Leider spielte das Wetter nicht mit. Wir warteten abends einsam auf dem Parkplatz darauf, dass sich die grauen Wolken verziehen. Auch im Hostel checkten wir regelmässig die Wetter-App, damit wir bei Wetterumschwung sofort losfahren konnten. Ohne Erfolg – Michi bekam sein Foto nicht. Dafür haben wir mächtige Gletscher gesehen, die Fjallsárlón-Lagune befahren und eine kleine Wanderung zu einer Gletscherspalte gemacht. Diesen Riesen der Eiszeit so nah zu kommen, war ein atemberaubendes Erlebnis!
- Vík í Mýrdal: Die «Bucht am sumpfigen Tal» besticht nicht nur durch den schwarzen Sand. Pfeilartige Felsen ragen in den grauen Himmel, als wären sie in ihrer Bewegung erstarrt. Dykes nennt sich diese Felsformation. Aber auch der malerische Leuchtturm, der Blick vom Felsen auf der Halbinsel und die Puffins, deren Brutzeit eigentlich schon vorbei sein sollte, haben unseren viel zu kurzen Besuch erinnerungswürdig gemacht.
- Reykjavík: Die Hauptstadt geht bei der malerischen Natur oft vergessen, obschon sie einiges zu bieten hat. Was uns in diesem Städtchen am besten gefiel, lest ihr im nächsten Blogbeitrag.
M wie… Mývatn
Die Umgebung rund um den See Mývatn ist ein Muss, wenn man den Nordosten von Island bereist. Nicht umsonst gehört die Region zur Diamond-Circle-Route .
Unweit vom (wenig spektakulären) See befindet sich der Berg Námafjall – ein aktiver Vulkan, der die Erde ordentlich beben lässt. Da sich ein Geothermalkraftwerk daneben befindet, sieht man überall Rohrleitungen aus dem Boden ragen. Dort kann man die vulkanischen Kräfte am eigenen Leib spüren, denn die Rohre vibrieren so extrem, dass sie schier zu explodieren drohen. Wer den Gipfel des Námafjall besteigt, wird (laut Google) mit einem wunderbaren Blick auf das umliegende Panorama belohnt. Die Besteigung haben wir jedoch – wie einige vor uns auch – nach einem Drittel abgebrochen, da der Weg schlicht zu gefährlich war. Dass die Isländer eine ganz eigene Vorstellung von Fuss- resp. Wanderwegen haben, ist uns übrigens mehr als nur einmal aufgefallen…
Am meisten faszinierte mich Hevrir, die Gegend um den Vulkan herum. Überall steigt Dampf aus unterirdischen Quellen empor, Schlammtöpfe blubbern laut und Fumarole sorgen für eine neblig mystische und «dufte» Stimmung. Ohne den penetranten Schwefelgeruch, könnte man Hevrir glatt mit einem fernen Planeten verwechseln. Ich war hin und weg! Bei aller Schönheit gab es aber auch etwas Negatives: Die Gegend rund um Mývatn ist weit bekannt für ihre Mückenplage. Hätten wir nachgeschlagen, was Mývatn übersetzt bedeutet (Mückensee), wären wir kleidungstechnisch sicherlich besser gewappnet gewesen. Die kleinen Viecher konnten meiner Begeisterung und Entdeckungslust zwar nichts anhaben, Michis jedoch schon. So wartete er schliesslich geduldig im Auto, bis ich meine zig Fotos geschossen hatte.
Letzter Abstecher beim Mývatn war die Grotte Grjótagjá, die einen kleinen See beherbergt. Bekannt wurde diese vor allem durch Game of Thrones. Gerne wären wir etwas länger dort verweilt, aber ich Tollpatsch stiess ziemlich unsanft mit einem Felsen zusammen, weswegen der Ausflug hier zu Ende war. Ein paar TK-Maispackungen und drei Wochen später, war mein «Islandhorn» dann endlich verschwunden.
N wie… Nachhaltigkeit
Nichts ist den Isländern so heilig wie ihre Insel, weshalb ein sorgsamer Umgang mit der Umwelt für sie selbstverständlich ist. Der Müll wird penibel getrennt, auch im AirBnB. (Sie drohten sogar mit Bussgeldern!) Abfalleimer fanden wir abseits der Städte hingegen selten. Wozu auch? Den Müll kann man schliesslich zuhause entsorgen. Schade, dass sich nicht alle Touristen daranhalten. Hinter den Steinen, wo ich ab und zu für kleine Mädchen musste, fand ich oft gebrauchte Taschentücher.
Auch in Sachen Energiemanagement leisten die Isländer gute Arbeit, denn der Eigenbedarf wird zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen gewonnen. Macht auch Sinn, wenn man sich die geografische Lage anschaut.
Dennoch hat die «grüne» Insel auch ihre dunklen Seiten. Wer schon mal in Island war, würde kaum denken, dass Island (relativ zu seiner Grösse) den vierthöchsten Gehalt an Treibhausgasen weltweit in die Atmosphäre ausstösst. Ein Grund dafür ist unter anderem der stark steigende Tourismus. Die Isländer rühmen sich zwar, auf nachhaltigen Tourismus zu setzen. Bei den unglaublichen Besuchermassen ist das vermutlich trotzdem nur ein Tropfen auf den heissen Stein. Schon nur die Flugemissionen sind aufgrund der Touristen immens. Schlussendlich kann man es den Isländern aber nicht verübeln, denn viele leben von diesem Sektor.
Ein weiterer Grund ist der veränderte, konsumfreudige Lebensstil der Isländer. Denn sie – und auch die Touristen – wollen und können sich natürlich nicht auf die wenigen Ressourcen der Insel beschränken. Die meisten Güter inklusive (frischer) Lebensmittel müssen importiert werden. Und dass auch hier der Kraftstoff für Schiff und Flugzeuge nicht aus erneuerbaren isländischen Quellen kommt, liegt auf der Hand.
Das grüne Image der Insel mag dadurch wohl etwas verblassen. Nichtsdestotrotz sind gute Ideen und die Bemühungen von allen Seiten da. Die meisten Länder können den Isländern in Sachen Nachhaltigkeit nicht das Wasser reichen und würden gut daran tun, sich ein Vorbild an ihnen zu nehmen.
Von verbrannter Schokolade, Penissen und der grössten Insel der Welt
Eigentlich wollte ich unser Island-ABC auf zwei Artikel beschränken. Aber hey, Island hat halt auch viel zu bieten! Wenn ihr wissen wollt, wieso die Isländer verbrannte Schokolade lieben und werum Reykjavík für seine Penisse berühmt ist (kein Witz!), verpasst nicht unseren dritten Teil.