Wenn dir das Leben Zitronen gibt, mach Limonade daraus. Was für ein kitschiger, und doch passender Spruch für unseren Island-Trip diesen Sommer. Obwohl wir schon lange vorher ein Auge auf die Insel geworfen hatten, gab es nie konkrete Pläne. Costa Rica, mein Pferdeabenteuer in Kanada, unsere Vancouver-Rundreise, mein Masterstudium in England… 2020 war verplant, Island musste warten. Und dann kam das Coronavirus – die unerwartet perfekte Gelegenheit, um die Insel zu erkunden.
Verreisen, während eine Pandemie die Welt lahmlegt, klingt absurd und bestimmt auch etwas unvernünftig. Dennoch haben wir die Chance gepackt und sind dorthin geflogen, wo weder das Coronavirus noch die üblichen 2,3 Millionen Touristen pro Jahr auf uns warteten. Um es vorweg zu nehmen: Unsere Island-Reise war vermutlich eine der bisher besten in unserem Leben. Die Reisedetails lassen wir in diesem Beitrag dennoch aus. Stattdessen haben wir uns ein kleines Island-ABC überlegt mit Facts und natürlich unseren Erlebnissen. In diesem Sinne, «förum» (let’s go)!
A wie… Aurora Borealis
Im gleichen Atemzug mit Island wird oft die Aurora Borealis genannt, auf deutsch Nord- oder Polarlichter. Die bunt flackernden Lichterscheinungen können nur an ausgewählten Plätzen weltweit und mit einer Portion Glück gesehen werden – so auch in Island. Mit Sicherheit hätte dieses Naturphänomen auch zu unseren «Highlights» gehört. Leider haben wir, trotz nächtlichem Ausschauhalten, weder Nordlichter noch die Milchstrasse gesehen.
Grundsätzlich beginnt die Zeit, in der die Aurora Borealis am Nachthimmel erscheint, ohnehin erst Ende September. Da Island soweit im Norden liegt, wird es vorher nämlich nie richtig dunkel – eine Hauptvoraussetzung, um das Naturschauspiel beobachten zu können. Auch die sich schnell ändernden Wetterverhältnisse müssen ideal sein. Eine Vielzahl an Apps und Webseiten helfen, den richtigen Moment zu erwischen. Nichtsdestotrotz haben Michi und ich einige Male den wunderbar klaren Sternenhimmel bestaunen können. Weitere Gelegenheiten, Nordlichter zu sehen, kommen bestimmt noch.
B wie… Blue Lagoon
Wer nach Island reist, kommt an der Blue Lagoon nicht vorbei. Davon gibt es unzählige, atemberaubende Bilder im Netz. Das Spa in der Nähe vom Flughafen beeindruckt nicht nur durch seine Architektur, sondern vor allem durch das milchig-blaue, undurchsichtige Wasser, das einen starken Kontrast zum bemoosten Lavafeld bildet, das die Lagune umgibt. Das warme Meerwasser erneuert sich alle 48 Stunden komplett selbst und ist reich an Mineralien wie Kieselsäure. Neben der «Wassertherapie» haben wir eine zusätzliche Ladung Mineralien bekommen in Form einer Schlammmaske. Schade, dass ich kein Foto von Michis weissem Schlammgesicht machen konnte.
Bei unserem Besuch hatten wir Sonne pur und – Corona sei Dank – waren nur wenige andere Gäste im Pool. Auch wenn die Blue Lagoon unserer Meinung nach ein bisschen übergehypt wird, haben wir das relaxte Floating, die Schlammmaske und das Smoothie-Schlürfen im Pool sehr genossen.
C wie… Coronavirus
Das Coronavirus und Reisen – eine ungünstige Kombination. Egal ob man Pro oder Contra Reisen in dieser Zeit ist: Auch Island lebt vom Tourismus. Auf rund 360’000 Einwohner kommen über 2,3 Millionen Touristen pro Jahr, Tendenz steigend. Klar, dass möglichst viele ein Stück vom Kuchen abbekommen möchten. Die Coronakrise brachte die Branche jedoch praktisch zum Stillstand, sodass sich die Arbeitslosenquote in den letzten Monaten mehr als verdreifacht hat. Ein (leider) gutes Beispiel, weshalb man sich nicht zu stark von einem Sektor abhängig machen sollte.
Was die Isländer in dieser Zeit jedoch freut, ist die Zunahme am Inlandtourismus, wie uns Einheimische berichteten. Die Isländer nutzten den Lockdown, um die Insel ohne die Schar an Touristen zu erkunden, was der Branche immerhin ein bisschen Boden unter Füssen verschaffte.
Die schöne Seite von Corona – wenn man das überhaupt sagen darf – war auch für uns das Fernbleiben der Touristenströme. Noch immer kann und möchte ich mir diese friedliche Insel nicht mit vollgestopften Touribussen vorstellen oder Menschenschlangen, die für ein Selfie vor dem Geysir anstehen. Ein Deutscher, der bereits zum zwanzigsten Mal die Insel besuchte, sagte gar, dass dies bisher seine schönste Reise sei. Einige der Hotspots habe er sich vorher noch gar nie angeschaut, weil sich so viele Touristen davor drängten. Die Road 1 habe teils einer Autobahn geglichen und die «geheimen» heissen Quellen seien dank Social Media normalerweise überfüllt.
Kurzum: Abstandhalten im Jahr 2020 ist wohl nirgends einfacher als auf Island. Wir haben jede Minute genossen, in der wir die herrliche Insel (gefühlt) für uns alleine hatten!
D wie… Diamond Circle
Wer eine Islandreise plant, stösst schnell auf den Golden Circle – eine wirklich tolle Sightseeing-Route nähe Reykjavik, die wir bereits an unserem ersten Tag machten. Nicht minder schön, dafür aber etwas weniger touristisch, ist der Diamond Circle im Norden. Anstatt in einem Tag, haben wir den Diamond Circle in mehrere Tagesetappen aufgeteilt. Gestartet wird normalerweise in der Kleinstadt Akureyri, wo wir zwei Nächte verbrachten. Von dort aus starteten wir zum ersten Must-See, dem Wasserfall Goðafoss. Wie bei so vielen anderen, in der Regel stark besuchten Wasserfällen, waren wir auch hier fast alleine. Mit einer Breite von 30 Metern ist der Goðafoss wirklich beeindruckend. Im Gegensatz zu vielen anderen Wasserfällen, konnten wir hier sogar am Flussbett zum tosenden Wasserfall hochlaufen. Wäre das Wetter nicht so fantastisch gewesen, hätten wir sicherlich auch ein paar atemberaubende Fotos geschossen. (Fotografie und starke Sonne vertragen sich leider nicht wirklich.)
Weiter ging es zum See Mývatn, oder viel eher der unglaublich schönen Gegend drumherum. Und weil es dort wirklich unglaublich schön ist, hat Mývatn einen eigenen Buchstaben in unserem Island-ABC erhalten. Mehr zur Mývatn-Region gibt’s also unter «M».
Im Anschluss ging es für uns wieder zurück nach Akureyri, von wo aus wir einige Tage später in den Fischerort Húsavík fuhren. Dieser gehört ebenso zum Diamond Circle, ist aber vor allem ein idealer Ausgangspunkt zu den weiteren Sehenswürdigkeiten. (Mehr zu Húsavík gibt’s unter «L» und «F».) Theoretisch fehlten nun lediglich noch der Wasserfall Dettifoss sowie die Schlucht Ásbyrgi auf unserer Diamond-Circle-Tour. Dettifoss übertrifft seinen kleinen Bruder Goðafoss um einiges! Mit seinen 44 Metern Höhe und 100 Metern Breite ist er nämlich der mächtigste Wasserfall Europas – und wir konnten ihn nicht mal bestaunen. Nach rund 20 Minuten Fahrt in Richtung Dettifoss (und Ásbyrgi) mussten wir leider umkehren. Mit unserem Mazda hatten wir schlichtweg das falsche Gefährt, um diese Strasse zu befahren. Auf eine Panne im Nirgendwo hatten wir dann doch nicht so Lust. Bei der nächsten Islandreise holen wir die zwei Sehenswürdigkeiten aber definitiv nach!
E wie… Elfen, Trolle, Zwerge & Gnomen
So mystisch die Natur in Island, so mystisch sind auch die Bewohner – genauer gesagt das verborgene Volk. Der Glaube an Elfen, Trolle, Zwerge und Gnome stammt aus der heidnischen Zeit und beeinflusst bis heute das Leben der Isländer. So glaubt rund zwei Drittel der Bevölkerung, dass sie tatsächlich existieren. Und nicht nur das: In Island gibt es gar eine Elfenbeauftragte, die Orte aufspürt und die Behörden beispielsweise bei Bauvorhaben berät. So hat 2012 das Parlament einen 30 Tonnen schweren Stein nach Vestmannaeyjar bringen lassen, weil dieser von einer Elfenfamilie bewohnt worden sei.
Wir haben auf unserer Reise leider keinen dieser magischen Bewohner kennenlernen dürfen. Dass jedoch in vielen Gärten kleine Häuser stehen, in denen die Elfen und Trolle leben sollen, beweist doch eindeutig deren Existenz – oder nicht?
F wie… Fauna
Neben der manchmal etwas kargen (aber natürlich wunderschönen) Flora, ist vor allem die Fauna – die Tierwelt – etwas Besonderes auf Island. Vermutlich am meisten verbreitet ist das Schaf, das einem sprichwörtlich die Aussicht beim Autofahren rauben kann. Meist laufen sie frei herum, Zäune sieht man selten – auch neben den Strassen. So grasen sie nicht nur gerne knapp daneben, sondern liegen bei Sonne auch gerne mal auf dem warmen Teer oder rennen einfach vor die Haube, wenn sie überfordert sind. Als Autofahrer muss man folglich immer die Augen nach Schafen offenhalten. Es wäre jedoch unfair zu sagen, dass Schafe deswegen dumm sind. Denn Schafe sind schlichtweg nicht Multitasking-fähig: Schauen und sich gleichzeitig in Gang setzen, geht naturgemäss schlicht nicht. Von der Gefahr abgesehen, fand ich sie jedoch bis zum Schluss ziemlich niedlich (und Michi lecker).
Ein weiteres, inoffizielles Nationaltier ist der Puffin, auf deutsch Papageientaucher. Rund drei bis vier Millionen Pärchen tummeln sich pro Jahr auf der Insel – soviel, wie sonst nirgendwo auf der Erde. Die taubengrossen Vögel erinnern ein wenig an fliegende Pinguine mit orange-leuchtendem Schnabel. Da die Brutzeit von Mai bis August ist, haben wir gar nicht mit ihnen gerechnet. An der Südküste in Vík í Mýrdal haben wir dann aber doch welche gesehen. Was für eine schöne Überraschung!
Last but not least: die Könige der Meere. Island ist nicht umsonst bekannt für Whale Watching. Mit seinen zahlreichen Arten ist die Insel einer der besten Orte in Europa, um die Tiere in Freiheit beobachten zu können. Von Zwerg-, Pott-, Blau und Buckelwalen über Orkas bis hin zu Delfinen – hier tummeln sich wirklich alle. Fun Fact: Auch Free Willy war ein waschechter Isländer und wurde als zweijähriger in Ostisland gefangen.
Michi und ich haben uns für eine Whale-Watching-Tour im Fischerort Húsavík entschieden. An diesem Tag waren nur wenige andere Touristen an Bord, was wir natürlich sehr begrüssten. Abgesehen von einem Speedboot – oder wie Michi sagen würde «Kokosnussschale» – war unser Boot sogar das einzige auf See. Wir haben zwar weder viele Walen oder Delfinen gesehen, noch waren sie sehr nah. Die Flossen der Tiere zu sehen, die in der Ferne elegant im Wasser auf- und abtauchten, war für uns dennoch ein besonderer Moment. Zu meinem grossen Bedauern und auch Erstaunen, ist der kommerzielle Walfang auf Island noch immer erlaubt. Im Supermarkt gibt es sogar Produkte zu kaufen und die «Delikatesse» wird in einigen Restaurants angeboten, ebenso wie Puffin-Fleisch. Der Grossteil des Walfleischs wird jedoch nach Japan exportiert. Traurig, aber wahr…
G wie… Gletscher
Island wird seinem Namen als «Insel aus Feuer und Eis» mehr als gerecht. Es ist unglaublich, heiss brodelnde Quellen zu sehen und einige Kilometer weiter bereits gigantische Gletscher. Beides prägt die Landschaft Islands massgeblich. Die Gletscher, auf isländisch Jökull genannt, bedecken rund elf Prozent der Insel. Hier ist es also relativ einfach, den weissen Riesen nahe zu kommen – sei es auf einer Gletscherwanderung oder einer Bootstour durch die Gletscherlagune, wie wir eine gemacht haben. Am bekanntesten ist wohl der Vatnajökull im Süden, der mit seiner Fläche von ca. 8’100 Quadratkilometern schon alleine acht der genannten elf Prozent einnimmt und somit der grösste Gletscher Island ist.
Die meisten Touristen, die den Gletscher wie wir vom Boot aus bestaunen wollen, machen dies in der Jökulsarlon-Lagune. Wir haben uns dagegen bewusst für die kleine Nachbarlagune Fjallsárlón entschieden, die weniger Touristen hat. Aufgrund von Corona können wir das zwar nicht eindeutig bestätigen, aber genial war die Tour allemal. Mit unserem Guide Gilli – ein bärtiger Isländer wie aus dem Bilderbuch – hatten wir die Lagune für uns alleine und einen Heidenspass zu Dritt, sodass wir fast 40 Minuten später als geplant zum Ufer zurückkehrten. Gilli bugsierte das Gummiboot so nah an die Gletscherwand, dass wir jede Eisspalte sehen konnten und erzählte uns allerlei rund um die Gletscher und den Klimawandel, der auch in Island seine Spuren hinterlässt.
Übrigens: Gilli ist ein wahrer «GlacInfluencer». Wer seine Fotos und Videos nicht verpassen will, kann hier einen Blick auf seinen Instagram-Kanal werfen.
H wie… Hot Pots
Die isländische Badekultur ist weit bekannt. Kein Wunder, denn in Island finden sich unzählige heisse Quellen, die – neben der Energiegewinnung – quasi als «natürliche Badewanne» genutzt werden. Einige Quellen sind sogar an der Oberfläche noch bis zu 200 Grad heiss!
So gut wie jeder Ort in Island hat ein eigenes, geothermisch beheiztes Schwimm- oder Wellnessthermalbad – zum Beispiel eben die Blue Lagoon (siehe «B»). Was bei uns die Dorfkneipe ist, ist in Island das Schwimmbad. Finden wir ganz schön cool! Neben der Blue Lagoon haben wir noch das kleinere, aber empfehlenswerte Geothermalbad in Húsavík besucht.
Viel authentischer sind jedoch die natürlichen Hot Pot, die man ebenfalls auf der ganzen Insel findet. Meist sind es lediglich dampfende, mit heissem Wasser (und Algen) gefüllte Löcher – klingt nicht unbedingt einladend, ist aber ein Traum! Entweder sind sie gänzlich naturbelassen oder man bezahlt einen kleinen Betrag für den Unterhalt inkl. Umkleide, Toilette etc. Unser Favorit war der Hot Pot «Reykir Grettislaug», der sich etwas oberhalb von Sauðárkrókur befindet.
I wie… Islandpferde
Island ohne Pferde? Undenkbar. Auf der Insel gibt es rund 100’000 Pferde und somit auch zahlreiche Pferdefreunde. Obschon sie anatomisch eigentlich zu den Ponys zählen: Wehe demjenigen, der sie Pony nennt! Die einstigen Wikingerpferde haben einen ganz besonderen Stellenwert für die Isländer. Speziell sind sie auf jeden Fall. Als einzige Rasse beherrschen sie beispielsweise die Gangarten Tölt und Pass, die – wir können es bezeugen – besonders bequem sind.
Die Wuschelmähnen haben inzwischen auch ausserhalb Islands eine grosse Fangemeinde, und doch ist sie eine der reinsten Pferderassen der Welt. Wie geht das? Islandpferde, die exportiert werden, dürfen zum einen nie mehr ins Land zurückkehren. Zum anderen gibt es ein Importverbot für sämtliche andere Pferderassen. So wird das einzigartige Wesen, die besondere Gangveranlagung und die Widerstandsfähigkeit bewahrt, die sie besonders auszeichnen. Die Isländer gehen sogar noch einen Schritt weiter: Um keine Krankheiten einzuschleppen, welche die Pferde gefährden könnten, dürfen keine benutzten Reitutensilien eingeführt werden. Pferdehelm und Reithose dürfen aber natürlich trotzdem in den Koffer, jedoch müssen sie vor der Einreise sehr gründlich desinfiziert werden.
Natürlich wollte ich mir die Gelegenheit nicht entgehen lassen, mir Island vom Pferderücken aus anzuschauen und das erste Mal in meiner Reitlaufbahn Tölt auszuprobieren. Ganz anders als im Trab, sitzt man wirklich unglaublich bequem – beinahe wie auf einer Wolke. Besonders für Anfänger wie Michi war das weitaus besser, als im Trab unsanft herumgespickt zu werden. Unsere Begleiterin Anna gab mir am Schluss sogar ihr Turnierpferd, welches das «Tölt-Feeling» auf ein noch höheres Level hob. Jetzt kann endlich auch ich den Hype um die kecken Islandpferde verstehen.
Das Beste an diesem Tag war jedoch für mich, dass Michi sich auch in den Sattel geschwungen und wirklich Freude daran gefunden hatte. Sogar die Flussdurchquerung und ein paar Seitwärtssprünge, weil sein Pferd erschrak, brachten ihn nicht aus der Ruhe. Wer weiss, vielleicht besichtigen wir beim nächsten Mal das Hochland ja vom Pferderücken aus…
J bis Z sind schon in den Startlöchern
Alles gelesen? Kompliment für deine Ausdauer! Selten flitzten meine Finger so schnell über die Tastatur wie für diesen Beitrag, weshalb er auch ziemlich lange geworden ist. Das restliche Island-ABC verpacke ich daher in einen zweiten Blogbeitrag. Bis (hoffentlich) bald und «vertu blessaður»!
Übrigens: Unsere schönsten Fotos von Island findest du hier.